E-Mail-Marketing: Was B2C von B2B lernen kann.

Ein Blick ins E-Mail-Postfach zeigt es: Vor allem E-Commerce-Newsletter bestehen zu 99% aus der immer selben Werbung. Entsprechend stark schrumpf das Engagement der Abonnenten rapide ab. Warum tut sich das Marketing oft so schwer mit Customer Experience?  

Werbung, Werbung, Werbung

Offensive Werbung per E-Mail mag bei neuen Abonnenten durchaus viel Umsatz generieren. Aber früher oder später melden sich die Kontakte wieder ab oder werden inaktiv. Weil sie sich nicht ernst genommen fühlen.

Vielen Versendern scheint das egal zu sein, weil sich ja immer wieder neue Abonnenten finden. Was so eine „Engagement Attrition“ kostet, fragt niemand nach. Dabei wissen wir alle, dass Engagement ein sehr wichtiger Faktor in Bezug auf Zustellbarkeit ist. Hinzu kommt ein Imageschaden sowie der Verlust potenzieller Fans und Fürsprecher. 

Es geht auch anders.

Ganzheitliches E-Mail-Marketing bedeutet, dem Kunden eine erstklassige Customer Experience zu bieten. Über die gesamte Kundenlebenszeit hinweg. 

Klappt das mit Sales & Promotional Emails? Kaum. Denn manchmal haben Kunden schlicht keinen Bedarf an der angebotenen Leistung.

Content hingegen eignet sich wunderbar, diese Lücke zu schließen. Denn in vielen Fällen können inspirierende oder unterhaltender Inhalte helfen, den Kunden an die Marke zu binden oder gar Nachfrage zu generieren.

Vor allem Anbieter von Produkten mit

  • langer Customer Journey,
  • langem Kaufintervall und
  • unregelmäßiger Kauffrequenz

sollten sich Gedanken machen, ihr E-Mail- und Content-Marketing besser miteinander zu verbinden. Also zum Beispiel Anbieter von Fernreisen, Fertighäusern oder Lebensversicherungen.

Beispiel Lufthansa
Beispiel: Storytelling statt Sales bei Lufthansa

Nachhaltig erfolgreiches E-Mail-Marketing berücksichtigt den vollständigen Kundenlebenszyklus und sorgt so für eine stabile Beziehung zum Kunden. Newsletter-Abonnenten sollen gar nicht erst inaktiv werden. Dabei helfen personalisierte Angebote. Aber auch Content in seinen unterschiedlichen Ausprägungen. 

Für einen solchen Dialog steht das Kreislaufmodell („Marketing Flywheel“), welches im Gegensatz zu vorherrschenden Funnel-Modellen einen fortwährenden Prozess beschreibt. 

Marketing Flywheel

Wie sieht es im B2B-Marketing aus?

Im B2B ist das E-Mail-Marketing oft schon weiter. Zur Generierung von Nachfrage (“Demand Generation”) für teure und erklärungsbedürftige Produkte wird vor allem auf die Prinzipien des Inbound-Marketings gesetzt. Eine wesentliche Rolle spielt also Content entlang der Customer Journey.

Status Quo im B2C-Marketing

Wie bereits erwähnt, dominiert im B2C-Marketing offensive Werbung. Versender gehen davon aus, dass sich der Kunde am Ende des Verkaufstrichters („Bottom of the Funnel“) befindet.

Für einige Produktkategorien mit kurzem Kaufintervall und vielen Impulskäufen (z. B. Fast Fashion) funktioniert das sicher gut. Eigentümlicher Weise setzen aber auch Anbieter von Weltreisen oder Designer-Möbel auf so eine Strategie.

Promotional Emails

Auf der anderen Seite jammern viele Email Marketer über inaktive Kontakte. Und hoffen inbrünstig, dass sie sich eines Tages wieder zurückmelden werden. Tatsächlich gelingt das nur sehr selten. Auch aufwendige Reaktivierungskampagnen sind fast nie mit Erfolg gekrönt.

Ursache für das „Einschlafen“ von Newsletter-Abonnenten sind vielfältig. Häufig besteht einfach kein Interesse an dem Angebot. Als Reaktion bombardieren die Versender dann die Abonnenten dann mit Gutscheinen. Das diese Strategie nicht aufgeht, sollte jedem klar sein. 

Besonders schwer haben es Anbieter von Warengruppen, die eh nur selten erworben werden oder das Interesse an ihnen auch mal jahrelang ruht. denken wir an einen Anbieter von Motorradzubehör. Bekommt ein Biker-Haushalt Nachwuchs, wird das Hobby oft für ein paar Jahre an den Nagel gehängt. Mit der Marke in Kontakt zu bleiben, will der Kunde aber schon gerne. 

Engagement Attrition und List Churn

Das Phänomen ist lange bekannt. Ab dem Tag der Newsletter-Registrierung sinkt das Engagement fast stetig. Je nach Branche um 5% bis 25% je Jahr. Bis der Abonnent irgendwann inaktiv (Opaque Churn) ist oder sich abmeldet (Transparent Churn). Je langweiliger die E-Mails sind, desto schneller schreitet der Prozess voran. Man spricht hier auch von List Churn.

Dieser „Schwund“ kann nicht nur Zustellprobleme verursachen, sondern hat auch Einfluss auf Conversions und somit auf den Umsatz. Engagement Attrition ist nämlich fast immer Customer Attrition. Vor allem, wenn die E-Mail der wichtigste Kanal zur Kundenbindung ist.

Was bringt Content im E-Mail-Marketing?

Der Nutzen von Content im B2C-E-Mail-Marketing wird allzu oft unterschätzt. Trotz überzeugender Argumente.

  1. Content hilft dabei, den Kontakt zum Kunden aufrechtzuerhalten. Auch wenn dieser temporär als Kunde ausfällt. Sei es aus finanziellen, zeitlichen, gesundheitlichen oder familiären Gründen. Zum Beispiel mittels News-Content oder Unterhaltung.
  2. Content hilft dabei, den Kunden entlang der Kundenreise zu unterstützen. Zum Beispiel durch Inspiration und Wissenstransfer.
  3. Content hilft dabei, Sales-Inhalte in einer E-Mail aufzulockern und so für Abwechslung zu sorgen.
  4. Content stärkt die Marke. Nicht zuletzt in Bezug auf den Service-Gedanken und Thought Leadership.
  5. Content hilft dabei, mehr über den Kunden zu erfahren. Geklickte Inhalte verkaufen zwar nicht unbedingt etwas. Aber dafür lernt man etwas über seine Interessen und Intentionen. Für datengetriebenes Marketing ist das extrem wichtig.
Content-Formate

Customer Journey vs. Customer Lifecycle

Ganzheitliches E-Mail-Marketing bedeutet, die Customer Experience entlang der gesamten Reise eines Kunden zun optimieren. Dabei helfen zwei Konzepte:  Customer Lifecycle und Customer Journey. Die Begriffe werden häufig  synonym verwendet. Die Hauptunterschiede zwischen den beiden Konzepzen sind:

  • Betrachtungsbereich: Der Kundenlebenszyklus konzentriert sich auf die verschiedenen Phasen, die ein Kunde durchläuft, von der ersten Aufmerksamkeit bis zur Interessenvertretung, während sich die Customer Journey auf die einzelnen Berührungspunkte und Erfahrungen konzentriert, die ein Kunde mit dem Unternehmen macht.
  • Zeitrahmen: Ein Kundenlebenszyklus ist ein langfristiger Ansatz, während die Customer Journey unmittelbarer ist und sich auf das aktuelle Erlebnis konzentriert.
  • Ziel: Der Schwerpunkt liegt in erster Linie auf der Maximierung des Kundenwerts und der Kundenbindung, während die Customer Journey auf die Verbesserung des Kundenerlebnisses und der Kundenzufriedenheit ausgerichtet ist.
  • Perspektive: Der Customer Lifecycle liegt die Perspektive des Unternehmens zugrunde. Die Customer Journey hingegen basiert auf die Perspektive des Kunden.

Zusammenfassend ist der Kundenlebenszyklus eine allgemeine Sicht auf die Kundenbeziehung, während die Customer Journey eine detailliertere Sicht auf das Kundenerlebnis ist. Für Unternehmen ist es wichtig, beide Konzepte zu verstehen, sie dienen jedoch unterschiedlichen Zwecken.

Handlungsempfehlungen

Strategie entwickeln

Holistische E-Mail-Marketing basiert auf einer kundenzentrierten Strategie. Um diese zu entwickeln, sollten Sie im Vorwege eine Customer Journey Map ausarbeiten. Ergänzend kann eine Content Map nach folgendem Muster hilfreich sein. Für die Content-Produktion bauen Sie am besten inhouse ein Team zusammen, welches hochwertige Texte, Bilder, Videos oder Podcaststs produziert.

content-map

Taktiken erarbeiten

  1. Erstellen Sie reine Content Mails für nicht kaufbereite Kunden. Zum Beispiel für die Nachkaufphase.
  2. Versuchen Sie auf diese Weise, erneute Kaufbereitschaft rechtzeitig zu ermitteln
    Nutzen Sie solche E-Mails auch zum Stärken Ihrer Marke (Thought Leadership.)
  3. Platzieren Sie auch in Promotional Emails einzelne Content-Blöcke oder -Rubriken, um Kaufunwillige aufzufangen und die E-Mail aufzulockern.
  4. Setzen Sie vor allem in Onboarding-Serien eine Mischung aus Promotion und Content, um Signale für Kaufbereitschaft zu erkennen.
  5. Nutzen Sie Methoden des Nudging und Storytellings, um ihre E-Mails mit Leben zu füllen. Setzen Sie Erzählungen ruhig mit jeder E-Mail fort, um Kunden zu fesseln.
  6. Ermöglichen Sie auf Basis des Klickverhaltens eine Segmentierung der Kunden. Dabei helfen z.B. Propensity Models.

Die Balance zwischen Akquise und Retention muss entlang der Customer Journey immer wieder angepasst werden. Auch wenn es schwerfällt.

Fazit

Content ist ein extrem nützlicher Baustein für das E-Mail-Marketing von E-Commerce-Brands. Zur langfristigen Bindung der Kunden. Aber auch zur Generierung wichtiger Daten, die Segmentierung Personalisierung erst möglich machen. Deshalb sollten E-Mail- und Content-Marketing-Teams enger zusammenarbeiten. Und Promotional E-Mails nicht mehr die Postfächer dominieren.
Frank Rix
Gründer von dialogue1

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