Das digitale Marketing ist vor allem getrieben durch Technologie. Große Player wie Salesforce, Adobe oder Oracle stecken viel Geld in immer neue Prudukte. Aber löst MarTech tatsächlich alle Probleme? Oder entstehen mit ihr nicht auch neue Herausforderungen?
Was ist MarTech?
MarTech steht für Marketing-Technologie. Ähnlich wie bei FinTech, InsureTech etc. ist damit Software gemeint, die in einer bestimmten Branche oder Disziplin bei der Automatisierung von Prozessen hilft. MarTech ist somit ein Synonym für die Digitalisierung in Marketing und Sales.
Wozu dient MarTech?
Um im Wettbewerb bestehen zu können, investieren Organisationen viel Zeit und Geld in Marketing-Technologie und Automatisierung von Marketingprozessen. Die Hoffnung ist, die Kapitalrendite (also den ROI btw. ROMI) zu verbessern. Sei es, indem Personal eingespart wird oder aber die Qualität des Outputs sich verbessert. Viele Aufgaben lassen sich aber auch nur von Maschinen durchführen. Zum Beispiel der Betrieb eines Online-Shops.
Tatsächlich hat MarTech nicht nur das Marketing, sondern auch die Werbung und Vertrieb längst revolutioniert. Der CMO Council berichtet, dass fast 70 % seiner Mitglieder ihre Investitionen in Technologie erhöhen, und laut BDO, WARC und der University of Bristol ist MarTech eine 122-Milliarden-Dollar-Industrie, die Jahr für Jahr um 22 % wächst.
MarTech auf dem Wachstumspfad
Venture-Finanzierung und Abonnement-Preismodelle inspirieren Unternehmer dazu, mehr Martech-Start-ups zu gründen. Allein die Zahl der Neueinsteiger im Jahr 2019 entsprach fast der Größe der gesamten Branche im Jahr 2015. Laut Scott Brinker, Chefrdakteur bei chiefmartec.com, sind die wichtigsten Segmente:
- Advertising & Promotion
- Content & Experience
- Social & Relationships
- Commerce & Sales
- Data Management
Weltweit werden etwa 10.000 Softwarelösungen gezählt, wobei eine genaue Erhebung nicht möglich ist. Viele Produkte verschwinden wieder vom Markt, bevor sie eine größere Nutzerschaft erreichen. Andere werden aufgekauft und mit anderen Tools verschmolzen. Auch gibt es Plattformen, die viele Tools miteinander verschmelzen oder mittels Plug-ins erweitert werden können.
Kurzum: Der Markt für MarTech ist sehr unübersichtlich und ändert sich mit jedem Tag. Für Laien ist es sehr schwierig, ein geeignetes Set an Lösungen (auch Tech Stack genannt) auszuwählen.
MarTech vs. SaaS
Eine große Bedeutung im Markt für MarTech-Produkte spielt SaaS („Software as a Service“). Dabei handelt es sich um ein Abrechnungsmodell für Software und um ein eigenständiges Geschäftsmodell. Anstatt einmalig eine Lizenzgebühr zu entrichten, wir die gewünschte Software einfach gemietet. Um das Setup und Deployment muss man sich kaum kümmern. Anders als beim „On-Premises“ Modell, sind die initialen Investitionen deutlich geringer.
Der enorme Bedeutungsgewinn von SaaS-Lösungen ist eng verknüpft mit der steigenden Popularität von Cloudstrategien. SaaS-Lösungen laufen nämlich so gut wie immer innerhalb einer Cloud, d. h. verschiedene User auf der ganzen Welt können bequem per Webbrowser auf sie zugreifen – eine Internetverbindung vorausgesetzt. Folglich ist auch die Verknüpfung anderer „online verfügbarer“ Systemkomponenenten (zum Beispiel das CRM) unproblematisch.
Die Schattenseite vom SaaS Business
Der Siegeszug von Cloud Computing und die Abkehr vom On-Prem hat dazu geführt, dass viele MarTech-Anbieter sich auf das SaaS Modell fokussiert haben und Beratungsleistungen an „Partner“ ausgelagert haben.
Einige dieser Anbieter sind in der Folge so stark gewachsen, dass aus ihnen durch Auf- und Zukäufe mächtige Player entstanden sind, welche eine Art Oligopol bilden.
Was macht die Auswahl eines Tech Stack so schwierig?
Die größte Herausforderung ist, neben der puren Anzahl an Lösungen, die Komplexität von MarTech. Als User nimmt man nur eine Benutzeroberfläche wahr. Wie bei anderen intagiblen Produkten ist es schwierig, deren tatsächliche Leistung einschätzen zu können.
Noch schwieriger ist es, dass Zusammenspiel einzelner Softwareprodukte einschätzen zu können. Zwar gibt es längst genormte Schnittstellen, aber Seiteneffekte sind nie ausgeschlossen.
Best of Breed vs. All-in-One
Wenn wir von MarTech sprechen, stoßen wor immer wieder auf eine grundsätzliche Frage: Lieber verschiedene („standalone“) Produkte miteinander verknüpfen oder auf eine All-in-One-Lösung setzen? Beide Philosophien haben Vor- und Nachteile. Anhänger von All-in-One-Plattformen schwärmen vom nahtlos ineinanderreifen verschiedener Module und einer einheitlichen Benutzeroberfläche. Freunde von Best-of-Breed hingegen schwärmen davon, dass sie sich Produkte passgenau aussuchen können und nicht von einem einzigen Anbieter und seiner Lizenzpolitik abhängig ist.
Ob ein Unternehmen eine Best-of-Breed- oder eine All-in-one-Lösung wählt, hängt von der spezifischen Situation ab. Wenn es sehr spezifische Anforderungen hat, die nur durch eine Best of Breed-Lösung erfüllt werden kann, ist dies die beste Wahl. Wenn die Anforderungen jedoch nicht so spezifisch sind und eine schnelle Implementierung erwünscht wird, ist eine All-in-one-Lösung oft die bessere Wahl.
Welches sind die typischen Probleme bei der Auswahl von MarTech?
Ein MarTech Stack soll die Arbeit erleichtern. Die Praxis sieht oft völlig anders aus. Ein paar Aufgaben werden automatisiert, aber an anderer Stelle enstehet neues Chaos. Wie kann das sein? Was sind die Probleme mit Marketing-Technologie?
Organisationen geben für Marketing-Technologie viel Geld aus. Gefühlt werden dadurch Probleme gelöst und die Schlagkraft von Marketing und Sales verstärkt. Wenn man sich mal ehrlich macht, passiert oft genau das Gegenteil. Kosten ufern aus. Die Effizienz sinkt. Die Frustration der Menschen sinkt. Neues gutes Personal bleibt weg. Dies ist der Versuch einer Spurensuche.
Fehlende Fachkenntnisse
Glaubt man den Werbeversprechen der Martech-Anbieter, sind ihre Lösungen wahre Alleskönner. Tatsächlich steckt der Teufel oft im Detail: Beispiel Tracking. Einen 360-Grad-Blick auf Kunden versprechen fast alle CRM- und E-Mail-Lösungen. Tatsache ist aber, dass ohne eine ausgeklügelte CRM- bzw. Datenstrategie die beste Technologie überhaupt nichts nützt. Darüber hinaus sind den wenigsten Kunden die rechtlichen Herausforderungen bekannt.
Tools und Applikationen harmonieren nicht
Im Marketing und Sales kommt es darauf an, dass Daten potenzieller Kunden nur einmal erfasst und dann über die gesamte Customer Journey hinweg genutzt werden können. Das setzt voraus, dass es eine zentrale Datenbank für alle Daten gibt, aus der sich alle Tools bedienen. Oder aber wenigstens Daten zuverlässig synchronisiert werden. Das klappt in der Praxis oft nicht. Häufig kommt es dann zu Inkonsistenzen oder zu Mehrarbeit in Form manueller Datenimporte. Weshalb CDPs und DWHs im Trend liegen.
Marketing richtet sich an technischen Einschränkungen
Besonders verbreitet ist es, dass sich Marketingmaßnahmen an den Fähigkeiten der Technologie orientieren. Vor allem dann, wenn sich mit der Zeit die Anforderungen ändern. Werden zum Beispiel auf einmal internationale Social-Media-Kampagnen gefahren, aber ein Tool kommt nicht mit verschiedenen Zeitzonen klar, postet man halt zu unpassenden Zeiten. Manchmal will auch der Verantwortliche einer fehlerhaften MarTech-Anschaffung sein Gesicht nicht verlieren und das Team passt daraufhin seine Arbeit an. Probleme werden verdrängt.
Marketing richtet sich an technischen Fähigkeiten
Ein Tool hat besondere Fähigkeiten? Dann werden entsprechende Features genutzt. Schließlich bezahlt man für sie. Das ist dann problematisch, wenn eine solche Automation überhaupt nicht zielführend ist und früher oder später zu Problemen führt. Typisches Beispiel ist das Sammeln von Daten für eine vermeintlich zukünftige Nutzung. Tatsächlich birgt sinnlose Datensammelwut diverse Gefahren. Zum Beispiel im Hinblick auf Compliance und Datenqualität.
Redundante Funktionalität
Viele MarTech Stacks sind voll mit redundanten Features. Das klingt zunächst mal nicht schlimm, weil speziell SaaS-Lösungen häufig nicht primär nach Feature Set bezahlt werden. Das Problem ist die steigende Komplexität. Die Usability und die Administration erschweren sich, wenn Funktionalitäten mehrfach in einem Tech Stack enthalten sind.
Auch einzelne Lösungen werden immer umfangreicher. Laut einer Studie von Gartner werden im Durchschnitt nur noch 42 % des Leistungsumfangs einer Software tatsächlich genutzt. Auch das ist ein Ergebnis zunehmender Komplexität von Marketingtechnologie.
Ende der Lebenszeit
Früher oder später erreicht jedes Produkt ein Lebensende. Das kann so aussehen, dass der Anbieter ein Nachfolgeprodukt anbietet und sich um eine kostenlose Migration kümmert. Manchmal verschmilzt ein Produkt aber auch mit einem anderen oder wird Bestandteil einer Suite. Auch ist es möglich, dass der Support oder das Hosting für ein Produkt eingestellt wird. Wie auch immer: Früher oder später müssen Tools bzw. Features ersetzt werden. Abhängig von der Bedeutung des Produkts innerhalb des Tech Stacks kann das zu großen Verwerfungen führen.
Mangelhafte Einbindung
MarTech wird gewöhnlich von Menschen genutzt. Deshalb ist Akzeptanz eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreichen Einführung. Bei sehr umfassenden Lösungen, die das gesamte Unternehmen betreffen (CRM, CEM, ERP), ist ein strategisches Change Management unverzichtbar.